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Diözesanverband Rottenburg-Stuttgart

Workshop

„So wie ich versorgt werden möchte….“ Bedingungen Professioneller Menschlichkeit

Expert:innenworkshop 16.10. 2023   Bildungshaus Schoenenberg.

Referent : Michael Brugger, Uni Tübingen.

(Wie) gehören Professionalität und Menschlichkeit zusammen?

Am Nachmittag des 16.10. trafen sich 15 Beschäftigte aus der Pflege mit dem Tübinger Sozialethiker Michael Brugger zu einem Expert:innen-Workshop auf dem Schönenberg bei Ellwangen. Unter der Leitung von Organisatorin Maria Sinz diskutierten die Teilnehmer:innen die Frage wie Professionalität und Menschlichkeit in der professionellen Pflege- und Sorgearbeit zusammengehören können.

Für die Diskussionen lieferte Michael Brugger Impulse aus seiner Forschungsarbeit. Darin macht er die Berufsethiken professioneller Sorgearbeiter:innen für eine Sozialethik der sozialen Daseinsvorsorge nutzbar. Er hat dafür Angehörige der unterschiedlichsten Berufsgruppen in Krankenversorgung, Pflege und Elementarerziehung interviewt.

 

Gängige Professionstheorien

Im Workshop beleuchtete er Interviewausschnitte und gängige wissenschaftliche Professionstheorien gegenkritisch und stellte mehrere Beobachtungen zur Diskussion: Gängige Professionsvorstellungen sind zu sehr an einzelnen Berufsgruppen, wie den »Examinierten« orientiert. Darüber hinaus wird Professionalität zu einseitig über die Standardisierung und Objektivierung von pflegerischem Handeln durch Dokumentation, Qualitätssicherung und der

 (Fort-)bildung und Spezialisierung von einzelnen Tätigkeiten sichergestellt. Daraus entstehen Brugger zufolge mehrere Probleme für Sorge und Pflege.

Was aus dem Blick gerät

Einerseits geraten bei der berufsgruppenorientierten Professionalitätsvorstellung Helfer-, Assistenz-, Betreuungs- und Hauswirtschaftsberufe aus dem Blick. Deren sorgendes und pflegerisches Handeln läuft nicht selten unter dem Radar und wird weder ausreichend anerkannt noch zum Gegenstand von Reflexion.

Willkür als Notlösung

Andererseits entwickelt sich in der Bugwelle der Standardisierung von Sorgearbeit etwas, was Brugger »ungebändigte Menschlichkeit« nennt. Das Sorgegegenüber wird »zerstückelt« und »der Mensch mit seinen ganzen Dings«, so zitiert er eine Interviewpartnerin, gerät aus dem Blick. Gleichzeitig entdeckt er bei vielen Interviewpartner:innen den Wunsch nach einer Pflege, die das Pflegegegenüber in dieser Ganzheit wahrnimmt. Illustriert sieht er dies im häufig geäußerten Anspruch, so zu pflegen wie man selbst gepflegt werden möchte. Die Willkür, die in diesem Anspruch steckt und die in der alltäglichen Organisation des Pflegehandelns kaum reflektiert wird, versteht er nun als »ungebändigte Menschlichkeit«.

Tätigkeiten, Zusammenarbeit, Arbeitsergebnisse

Den genannten Problemen stellt er das Konzept der »professionellen Menschlichkeit« entgegen. Menschlichkeit darf nicht als eine stillschweigende Voraussetzung oder ein Gegenüber zur pflegerischen Professionalität gesehen werden, sondern muss zum Gegenstand dieser Professionalität werden - über alle sorgenden und pflegenden Berufsgruppen hinweg. Professionalität bedeutet dann nicht, sich als einzelne Berufsgruppe zu professionalisieren, sondern Tätigkeiten, Zusammenarbeit und Arbeitsergebnisse auf der Station oder dem Wohnbereich zum Kriterium von Professionalität zu machen. Das hat Auswirkungen auf die Organisation der Zusammenarbeit und den Umgang mit Mitarbeiter:innen.

Mehr Reflexion weniger Anhäufung von Wissen

Auf den Punkt bringt Brugger das mit dem Slogan: »Von der Fortbildung zur Supervision«. Nicht die Anhäufung von Wissen mit der Gießkanne, sondern die Reflexion des konkreten Arbeitshandelns als Einzelne und als Gruppe sollten ins Zentrum der Mitarbeiterführung rücken. Das heißt auch, die Arbeit der Anderen zu kennen und Raum für Aushandlung und Vereinbarungen zu haben. Ein solches Konzept bleibt nicht ohne politische Auswirkungen: Unter anderem macht eine Pflegekammer, die sich nur an eine Berufsgruppe richtet, dann keinen Sinn.

Die Impulse führten zu einer regen Diskussion Insgesamt  entdeckten die Teilnehmer:innen in Bruggers Konzept viel von ihrer eigenen Situation wider und einen hilfreichen Schlüssel, um die eigene Situation in der Einrichtung zu analysieren und zu überdenken. Um Veränderungen für mehr Raum für professionelle Menschlichkeit zu schaffen, dabei waren sich alle einig, braucht es noch mehr Pflege – und Sorge – in Bewegung.

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