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Diözesanverband Rottenburg-Stuttgart

Anhebung der Pflegemindestlöhne, ein erster konkreter Schritt der Pflegepolitik 2021-25

Kommentar zu pflegepolitischen Aussagen des Koalitionsvertrages, in Anlehnung an die Fragen des KAB Wahl-O-Mates zur Pflege.

Die Dramatik in der Pflege ist politisch erkannt und es besteht Druck zu handeln. Der Beschluss der Pflegekommission vom 5.2.2022 signalisiert, dass die Regierung bereit ist, zügig zu handeln. Ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag : In der stationären Langzeitpflege beschleunigen wir den Ausbau der Personalbemessungsverfahren. Insbesondere dort verbessern wir Löhne und Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte mit dem Ziel, die Gehaltslücke zwischen Kranken- und Altenpflege zu schließen.
Die stufenweise Anhebung der Pflegemindestlöhne wurde schon in den letzten Jahren beschlossen, jetzt wird sie verbessert. Ein konkreter, von der Politik beschleunigter, erster Schritt. Grundsätzliche Gehaltsfragen sind damit natürlich noch nicht gelöst. Auch ein allgemeinverbindliche Tarifvertragwird dadurch nicht ersetzt. Von dieser Regierung sind konkrete Schritte zur Erleichterung allgemeinverbindlicher Tarifverträge zu erwarten. So heißt es an anderer Stelle: Gemeinsam mit den Kirchen prüfen wir, inwiefern das kirchliche Arbeitsrecht dem staatlichen Arbeitsrecht angeglichen werden kann. Verkündungsnahe Tätigkeiten bleiben ausgenommen. (Koalitionsvertrag unter Mitbestimmung, S.71)

In der Einleitung zu Gesundheit und Pflege heißt es im Koalitionsvertrag: Wir sorgen für eine bedarfs-gerechte Gesundheitsversorgung und eine menschliche und qualitativ hochwertige Medizin und Pflege. Wir verbessern die Arbeitsbedingungen der Gesundheitsberufe und Pflegekräfte. Wir ermöglichen Innovationen und treiben die Digitalisierung voran. Grundlage für all dies ist eine auf lange Sicht stabile Finanzierung des Gesundheitswesens und der Pflege.
Zur stabilen Finanzierung der Pflege vermissen wir einen mutigen Schritt, die Einnahmenseite der Pflegeversicherung auf eine breitere Basis zu stellen. Die Pflegeversicherung sollte nicht ausschließlich aus Löhnen, durch Arbeitgeber-und Arbeitnehmeranteile finanziert werden, sondern auch aus Einkünften aus Kapital. Dazu gibt es ausreichend Vorschläge mit einkalkulierten Freibeträgen.

Entlastung….
Der Anteil der pflegebedingten Kosten, die Versicherte privat zu bestreiten haben liegt seit langem bei durchschnittlich  40%. Hier wird ein konkreter und begrüßenswerter Versuch gestartet, Menschen mit Pflegebedarf zu entlasten:
Wir prüfen, die soziale Pflegeversicherung um eine freiwillige, paritätisch finanzierte Vollversicherung zu ergänzen, die die Übernahme der vollständigen Pflegekosten umfassend absichert. Eine Expertenkommission soll bis 2023 konkrete Vorschläge vorlegen, die generationengerecht sind.  Grundsätzlich soll das Pflegegeld jährlich dynamisiert werden.

…stationär
Konkret wird die Ausbildungsumlage aus den Eigenanteilen herausgenommen, die Behandlungspflege durch die Krankenkasse pauschal ausgeglichen, was die pflegebedingten Kosten senken wird und die Zuschüsse zu den Eigenanteilen werden überprüft. Offen bleibt die Frage, inwieweit Heimbewohner weiterhin 400-500 €  monatlich an Investitionskosten zu tragen haben.

… ambulant
Wir unterstützen den bedarfsgerechten Ausbau der Tages- und Nachtpflege sowie insbesondere der solitären Kurzzeitpflege. Leistungen wie die Kurzzeit- und Verhinderungspflege fassen wir in einem unbürokratischen, transparenten und flexiblen Entlastungsbudget mit Nachweispflicht zusammen, um die häusliche Pflege zu stärken und auch Familien von Kindern mit Behinderung einzubeziehen. 
Auf ein Entlastungsbudget, das individuell nach Bedarf gestaltet werden kann, warten pflegende Angehörige schon lange, ein guter Schritt.

… pflegende Angehörige
Wir entwickeln die Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetze weiter und ermöglichen pflegenden Angehörigen und Nahestehenden mehr Zeitsouveränität, auch durch eine Lohnersatzleistung im Falle pflegebedingter Auszeiten.
Die Möglichkeit, kurzzeitig eine Arbeitsverhinderung von bis zu 20 Arbeitstagen pro Akutfall in Anspruch zu nehmen, wurde bis zum 31. März verlängert, danach sind es wieder 10 Arbeitstage.
Derzeit haben Beschäftigte die Möglichkeit, bis zu sechs Monate ganz oder teilweise aus dem Beruf auszusteigen, um einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung zu pflegen.
Pflegende Angehörige können Freistellungen nach dem Pflegezeitgesetz und nach dem
Familienpflegezeitgesetz auch kombiniert in Anspruch nehmen. Die Gesamtdauer aller Freistellungsmöglichkeiten beträgt zusammen höchstens 24 Monate, bislang ohne Lohnersatzleistung. Dieser Schritt ist qualitativ neu und verspricht wirkliche Entlastung.

Entlastung Pflegekräfte
Die im Koalitionsvertrag genannten Maßnahmen, wie Abschaffung geteilter Dienste und trägereigene Springerpools fallen kaum in die Zuständigkeit der Politik, vielmehr sind diese betrieblich zu regeln. Ein Anspruch auf familienfreundliche Arbeitszeiten für Menschen mit betreuungspflichtigen Kindern hingegen kann politisch geregelt werden und ist auf jeden Fall zu begrüßen.
Als Horizont, was Pflegekräfte sich wirklich wünschen, sei die 35 Stunden Woche für die Pflege genannt. Daran kann ermessen werden, wie weit das Machbare vom Erhofften noch entfernt ist.

Unsere Forderung, im Arbeitszeitgesetz einen Rahmen zu schaffen, der einen Rhythmus von zwei freien Tagen nach maximal sieben Tagen Arbeit regelt hat, wie zu erwarten war, keinen Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden. Wir wissen, dass unsere Forderung eher eine Richtung angibt, als dass wir direkte Umsetzung erwartet hätten. Ein erster Schritt wäre, die bestehenden Ausnahmeregelungen für den Gesundheitsbereich im Arbeitszeitgesetz, die ursächlich sind für belastende Dauerschichten,  zu überprüfen. Leider ist auch das nicht vorgesehen.

Gemeinwohlorientierung
Angesichts steigender Aktivitäten von sog. private Equity Firmen im Pflegesektor hätten wir uns eine Aussage zu deren Begrenzung gewünscht. Wir vermissen den politischen Willen, Aktien und Beteiligungsgesellschaften  den Zugang zum Pflegesektor zu verwehren. Grundsätzlich geht es um den Schutz von Versichertengelder  vor Fremdvereinnahmung durch private Anleger.

Häusliche Betreuungskräfte
Wir gestalten eine rechtssichere Grundlage für die 24 Stunden Betreuung im familiären Bereich.
Bereits jetzt ist der Anspruch auf Bezahlung von Bereitschaftszeiten durch Rechtsprechung geregelt.
Das Arbeitszeitgesetz gilt grundsätzlich für alle. Wir teilen die Auffassung von CariFair, Paderborn, dass eine rechtssichere Grundlage für häusliche Angestellte dann besteht, wenn  die Familien der Pflegebedürftigen Anstellungsträger werden. Familien werden Arbeitgeber, was eine große Herausforderung darstellt und viele überfordert. Grundsätzlich sind wir überzeugt, es braucht kollektive Lösungen. „Pflege ist mehr als ein privates Problem“, war  schon eine der Überschriften unserer Wanderausstellung.  Alternativen könnten gemeinnützige Gesellschaften oder Genossenschaften als Anstellungsträger bieten.

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